Personal Stories
Mein „totaler“ Gitarrenverstärker
Oder: warum (m)ein Gitarrenverstärker heilig ist.
Intro
„Ich bin Musiker, nicht Bassist!“* schnauzte ich meine pubertäre Leadgitarre „Schuddel“ an, als er voller Entsetzen meine (vollgeile) billig Les Paul aus Übersee anstarrte. Er hatte wenig Verständnis dafür, dass sich der (so oder so eher untalentiert scheinende) Bassist der Band nun neuerdings auch an Gitarren vergreifen wollte, anstatt sich voll auf seinen Job am Bass zu konzentrieren.
*Auch andere Bands beginnen wohl sofort geistig Stelleninserate zu entwerfen, sobald ihr Bassist solche Sprüche vom Stapel lässt.
Das war so circa um 1985 rum, als ich in einer Heavymetal - Waschküchenband als Bassist versuchte anzufangen, meine Träume vom großen Sex, Drugs und Rock’n’roll in Tat umzusetzen.
Nachdem ich zuvor in meinem letzten Schuljahr noch an den Erfolg von harter Gitarrenarbeit geglaubt und mich verzweifelt mit’ner Akustischen um „Marina, Marina“ bemüht hatte, (natürlich vergebens) bis Marmorstein und Eisen brach, dachte ich mir: nicht „bitzälä“ sondern „klotzen“! Ich wollte direkt in die Fußstapfen des (für mich) allmächtigen Großmauls Gene Simmons (Bassgottmonster bei KISS) hüpfen. Mit (nur) vierSaiten musste es einfach klappen.
Aller Anfang ist schwer und als Bassist erst recht. Die einzige wahre Motivation die ich für gerade dieses Instrument hegte war, sozusagen als „God of Thunder“* einmal ganze Stadien** erzittern zu lassen. (Abgesehen davon schienen mir vier dicke Saiten einfacher und schneller zu handeln, als sechs dünne.)
*KISS – LP: Destroyer / **Ach was: „..die ganze Welt !!!“ Schließlich war ich damals in der Pubertät.
Here Ziele jawohl. Aber mit einem mini „Null-Pfupf“ Verstärkerchen in einem Mehrfamilienhaus z.B. „Prowler“ von Iron Maiden zu zocken, machte weder mir Spaß (viel zu wenig „Bums“) noch allen anderen Hausbewohnern (viel zu viel „Bums“).
So liefen meine „heren Ziele“ vom wilden Leben zwangsläufig Gefahr verhungern zu müssen. Also suchte ich verzweifelt nach Alternativen und kam (wen wundert’s) ohne lange Umschweife (zurück) auf die Gitarre. Gedacht - gekauft (no Problemo für einen Briefträgerlehrling). Aber mein rabenschwarzes „Schätzchen“ war von Anfang an irgendwie kaputt. Es machte immer: „gling… glang… glong…“ anstatt: „Chwääääng“ und „Chwaaaaaang“. Dieses Problem löste sich wenige Wochen später. An eben jenem denkwürdigen Abend als ich, nichts Böses ahnend, etwas früher im Übungsrau.. äh in der Waschküche (Nein, ein Heizungsraum war’s, aber direkt neben der..) Waschküche eintraf, um mein soundliches Unvermögen klamm heimlich zu überdenken und dabei Schuddel über den Weg lief..
Tja, wie auch immer. Nach dem ich kurz darauf meine Gitarre mit einer „Bodenratte“ (Fuss-Effektpedal*) kombinierte, gab’s bei mir (wie Schuddel bereits geahnt hatte) nur noch „Chwääääng“ und „Chwaaaaaang“ bis zum abwinken.
*In meinem Fall ein schwarzer BOSS „Heavymetal“
Ich hängte meinen (Brotlosen) Bass-Job an den Nagel, die Band löste sich wegen (den allgemein berühmt - berüchtigten) musikalischen Differenzen bald auf. Und ich war wieder musikalischer Single, ..immer auf der Suche nach (Sex..) und dem „Glück“.
Strophe
Derweil arbeitete ich unweit des zürcher Hauptbahnhofes, als ich von einem Arbeitskollegen der mich, durch meine gestreiften, engen Beinkleider und den täglich wechselnden Metalshirts, sofort und unmissverständlich als Rockmusikfan mit möglichen praktischen „Ambitionen“ erkannt, folgenden „heißen“ Tipp erhielt:
Hinter dem Bahnhof gebe es einen Musikladen, der gerade Ausverkauf habe und ich sei doch „Musiker“ und deshalb bestimmt an günstigen Angeboten interessiert.
Klar: Bin ich „Musiker“ (Oha, wissen das die Mädels schon?!) Das heißt: ich habe meine reguläre Schulzeit brav hinter mich gebracht. Und zwar auf dem Land, wo eh alles noch etwas urchiger von Statten gegangen war, als man es sich in Zürich überhaupt konnte träumen lassen.* Alsdann stand ich nun auf Freiersfüßen fürs „richtige“, echte Leben. Ich war bereit alles auszuprobieren, was mich diesem in irgendeiner Weise hätte näher bringen können. Ich also nichts wie hin.
*Der Ausdruck „elektrische Gitarre“ löste dort allgemeines Raunen und Kopfschütteln aus. „aha, du gehst in die Flötenstunde. Wie.. nicht! Ja dann wirst du’s eh nicht weit bringen.“ „Stromgitarren, das sind doch diese Dinger wo man nichts können muss, weil die ja so laut sind und nichts mehr zu hören ist, wenn der Strom weg is’..“ etc. Auf jeden Fall schien es eine Tiefe Verständniskluft zwischen dem gut erzogenem Realschulabgänger und Rock/Popmusik zu geben. „Gitarrist“ war etwa gleichbedeutend wie „Astronaut“.. das gab es nur in Amerika. Ich verließ also meine „Heimat“ als „E.T.“, „Primat“ oder.. na ja, ich bin ja dann weg.
Wie immer zu dieser Zeit, ohne jegliche Planung oder präzise Vorstellung davon, was genau ich eigentlich wollte.
Schnell fand ich den empfohlenen Laden mit dem, wie ich damals fand, absolut uncoolen Namen „Gitarren-total“. Ich nahm an dass die da schließlich auch bloß diese öden Stratklampfen* verkaufen, wie alle anderen auch. Als begeisterter KISS und Metalfan, hatte ich natürlich ganz andere optische Ansprüche an eine Gitarre. Ich hatte schließlich schon Bilder von Typen gesehen, die Ihr Publikum mit Stern-, Axt- oder wilden Drachengitarren elektrisiert hatten.
*„Stratocaster“ bezeichnet die typische E-Gitarrenform. (Verbreitete Alternativen wären z.B. „Telecaster“ eher Viereckig, oder die Konkurrenz schlechthin, die „Les Paul“ mit ihrer sehr weiblich, rundlichen Form bis zur „V“ Kontur einer Flying-V (oder mittlerweile auch unzählige andere.)
Meine philosophische Ader steckte damals genau wie ich selber auch, noch in Kinderschuhen. Heute weiß ich natürlich dass der Begriff „Total“ für alles oder gar nichts steht. Im Zusammenhang mit diesem Laden also für eine Art schwarz oder weiß*, also auch Yin und Yang (logisch?!), d.h. für eine gewisse Ausgeglichenheit. Eine Eigenschaft mit der jedoch der „Verkäufer“ an den ich geraten sollte, nicht gerade gesegnet schien. Aber lies selbst.
*Viel-viel später erst ging mir die wahre Bedeutung des Begriffs "Total" auf. Es bedeutet "ganz oder gar nicht"! Also, bist du n'Kerl oder nicht? Weisst du was du willst? Wo du stehst, oder hingehörst? Spielst du nun Gitarre? Wenn du auf all diese Fragen die Antworten hast, bist du hier genau richtig! Hier geht es ums "wirkliche" Leben.
Wie immer (auch heute noch) studierte ich zuerst ausgiebig die Schaufensterauslage, die in diesem Fall aber eher praktisch als dekorativ gestaltet war. (genügt in diesem Metier eigentlich völlig, wusste ich "natürlich" damals (auch) nicht.)
Hier muss ich wohl anmerken, dass ich (zu meiner eigenen Schande) bis anhin erst den bei meinesgleichen „berühmten“ Musikkuhn im Niederdorf von außen und innen kannte. Berühmt für seine stattliche Größe, seinen ach so coolen Verkäufern (z.B. der sagenumwobene „Bodo“) und eine stets originelle, (und wohl auch verkaufstechnisch optimierte) dekorative Schaufensterauslage.
Aber nun wieder zurück hinters Landesmuseum:
Durch eine verglaste Ecktür über zwei, drei Stufen betrat ich den Laden des alten Gebäudes. Er erschien mir ungewohnt klein und bestand soweit ich dies überhaupt überblicken konnte, lediglich aus zwei wohnungsähnlichen Zimmern, die beide total voll gestopft waren (daher, wie ich damals irrtümlich annahm, rührte vielleicht auch der Name „Total“). Im vorderen Raum türmte sich allerlei Equipment und Amps*. Halt all dieses technische Gesumse, das jeweils auch hinter diesen geilen Gitarrenhelden, auf den Postern des Metalhammer Magazins herumstand. Und da ich es einfach (noch) nicht besser wusste, weckte dieses Zeug natürlich (aber nicht Logisch) nur geringes Interesse bei mir. Der hintere Raum dagegen war regelrecht bewaldet. Das heißt er bestand sozusagen aus einem Wald voller Klampfen. Da wollte ich hin.
*Amp = Amplifire (Verstärker) Der wohl wesendlichste Grund dafür, weshalb bei einer Stromgitarre nichts mehr rauskommt wenn man den Strom Ausschaltet. (Ja, Mama ich weiss..)
Schließlich wusste ich damals schon, worauf es im Showbuissenes** ankommt. Nämlich: Die äußere Erscheinung! Sozusagen alles „Showtime“ (yeah)
**„Showbuissenes“: jener sagenumwobene, geheimnisvolle, von nackten, willigen Göttinnen verhangene Ort, an den alle Pubertäts-metal-schaffenden von damals (?!) (okay, wohl auch die von heute) so schnell wie möglich hin wollen.
Ich war (und wohl auch alle andern) stets auf der Suche nach der absoluten, der perfekten Gitarre. Diese musste (vor allem) rattenscharf aussehen, der Ton (Rest) kommt dann von selbst (hatte ich mir wohl selbst, oder sonst wer, gekonnt eingeredet).
An dieser Stelle muss ich jetzt wohl auch noch zugeben (wohl oder übel wieder zu meiner Schande), dass meine musikalischen Fertigkeiten damals mindestens noch drei, was sag ich, dreizehn Geschosse tiefer unter dem Keller lagen, in dem ich und meine Kumpels damals „fleißig“ geübt hatten. Natürlich rein Metaphorisch gesehen. Wir waren alle absolut sicher, dass der richtige Groove, der „heilige“ Sound und der damit automatisch eintretende Erfolg (Weltweit natürlich) einzig und allein vom richtigen Werkzeug, eben dieser perfekt aussehenden, rattenscharfen Klampfe abhingen.
Ich stand also (wiedermal) mit vor Erregung laut pochendem Herzen vor dieser Stuben-Türschwelle zu Valhalla. Vieleicht trennten mich "Diesesmal" nur noch wenige Centimeter und ein paar ewig währende Minuten vom Erfolg. Dem richtigen, Weltweiten natürlich. Ich war gerade dabei meine Füße zu bitten mich in dieses geheiligte Schlaraffenland der Sixstringguns zu tragen, als mir ein schlaksig wirkender Typ (Marke: Wave/Punk/Normalo) mit dunklen, fettig ins Gesicht hängenden Fransen, abrupt den Weg versperrte.
Er schien gestresst (eben: von wegen Yin/Yang), kurz angebunden und zwei Dinge genau wissend: erstens: wer er war! und zweitens: was er wollte! (Ich sag ja: irgendwie "Total".)
Ich dagegen war mir da (eben) meinerseits nicht (ganz) so sicher. Weder: wer ich war, und schon gar nicht: was ich wollte.
Bei ihm hingegen wusste ich sofort: er war der Chef, dessen Sohn, ein berühmter Musiker und mindestens Weltweit bekannt, wenn nicht noch weiter (..Schande über mich: ich kenne ihn nicht), oder als letzte Alternative: irgendein durchgeknallter Verrückter. So ein Selbstvertrauen mit dieser Frisur, wollte mir gar nicht runter.
„Was willst du?“ fuhr er mich, mit leicht heiserer, unterschwellig bedrohlich wirkender Stimme umgehend und immer noch im Weg zwischen mir und dem vermeintlichen Gitarrennirvana stehend an. „..i-i-ch äh.. ja.. also..“
„Okay, hör gut zu“, sagte der Typ jetzt (vieleicht ?!) etwas (ein Fünkchen) freundlicher:„Du spielst doch Gitarre oder?“
Ich hörte: "..Ooooderer?" (Kerl oder nicht Kerl?!) und dachte instiktiv: nein, eigentlich spiele ich höchstens „Yoyo“* und komme ganz zufällig hier vorbei)
*damals „noch“ so eine Passion von mir
„..jjaha schon..“ brachte ich schliesslich raus.
Er: „Also.., du sagst mir was du brauchst und ich verkaufe es dir zu super Konditionen.“
Ich hörte "Konditionen"! also muss ich nachher noch dreimal ums Haus spurrten, oder was?!
(Nein, den Mediamarkt gab es da noch lange nicht, sonst hätte ich das natürlich sofort dem Urs erzählt).
Soviel Direktheit, Klarheit und Selbstbewusstsein überforderte mich haushoch, raubte mir den letzten Rest an Mumm (von was genau?). Geistig ging ich bereits rückwärts zur Tür, um fluchtartig den Laden zu verlassen. Aber eben nur „geistig“. In Tat und Wahrheit war ich von „Al Pacinos“ (schau-mir-in-die-Augen-Kleiner-) Persönlichkeit dermaßen eingeschüchtert (sagte ich es bereits? Ich: pubertäre Schale, Landei-Kern) ich war in diesm Moment "wirklich" nicht zu kontrollierten Reaktionen fähig. „Hallo, was darfs denn sein? Oder willst du nur gucken?“ hieß es in „normalen“ Läden. So war ich es gewohnt, so hatte ich es gelernt, so macht man’s -Punkt und Amen. Aber eben.. „Total“, da war nichts mit „danke, nur gucken“! "Biste schon gross oder wächste noch?"
Im nachhinein muss ich mir eingestehen (der geneigte Leser ahnt es schon) dass dieser Tag fortan und immer dar, als sogenanntes „einschneidendes Lebensereignis“ in meinem persönlichen Lebenslauf vermerkt gehört.
„Also, was ist jetzt? Was darf es den sein?“(tiriliii..) unterbrach mich der, irgendwie zu lang geratene und um sämtliches Cowboyaccessoire beraubte schmalspur John Wayne, mit einem bereits etwas grollendem Unterton.
Ich schluckte, schloss meine Augen und öffnete den Mund. (Natürlich war zu diesem Zeitpunkt wohl noch keine Leitung von meinem Grosshirnlappen zum Sprachzentrum frei geschaltet.) So hörte ich mich, fast schon glücklich wenigstens meine Stimme wieder gefunden zu haben, das Wort: „Steckerleiste“ flüstern.
Wuuuschhhh…!!! (Keine Ahnung wie ich den Weg von der Mitte des Geschäfts zum Ausgang hin in so kurzer Zeit zurückgelegt hatte.) Alles geschah wie in einer paradoxen Zeitlupe. Die Tür stand offen, meine Füße hingen in der Luft, die Leichtigkeit mit der mich die schwarze Bohnenstange mit ausgestreckten Armen am Kragen hochhielt, hatte etwas beklemmend graziöses.
Und dann sprach (schrie) Gott zu mir. Geheimnisvolle Worte wie: "..Laden verlassen", "Blasphemie", und irgendetwas von "Migros-City".. Seine Wuttirade blies mir die Haare in den Nacken (wahrscheinlich trägt dieser Mensch Schuld an meinen künftig stetig wachsenden, ausgeprägten Ratsherrenecken)
Er hätte hier ein Musikgeschäft (und zwar das „total“ Beste weit und breit). Er verkaufe Weltklasseinstrumente und Spitzenequipment und zwar momentan zu supergünstigen Preisen, weil er in einen anderen Laden umziehen würde und es Gottver..@*!!!“3+… zu teuer sei, den ganzen Karsumpel zu zügeln und so weiter und so fort.
Wie auch immer, er gäbe mir jetzt noch eine Change. (keine Ahnung, wie ich mir eine solche verdient hatte. Ehrlich nicht).
Nun ist es halt so, das sich zu dieser Zeit, außer vielleicht „Fender“ oder „Gibson“ neben natürlich unzähligen Bandnamen, noch nicht allzu viele Rock’n’Roll-kompatible Markenbegriffe in unseren jungen Metalhirnen eingenistet hatten*. Jedenfalls nur sehr wenige, von denen wir eine Bilderbuchahnung hatten, wie man sie einigermaßen richtig ausspricht. z.B. sprachen wir „Gibson“ (eine der bedeutendsten Gitarrenmarken) als „Tschippsen“ aus, wofür man in Musikalienläden auch heute noch milde belächelt wird.
*Wie bereits erwähnt waren wir eher praktisch veranlagt: die ersten Biere trinken und hoffen das sich der Rest von selbst ergäbe.
Was ich also brauchte, um mich aus dieser „unschönen“ (und unbequemen) Situation zu befreien und mich darüber hinaus ev. ein ganz kleines bisschen zu rehabilitieren, war ein Hammer.. ein Begriff wie.. zum Beispiel „Atombombe“, aus dem Munde von Archimedes. Oder „Ficken, Bumsen, Blasen“ von Georg Clinton. Ich überlegte, viel Zeit konnte mir ja wohl kaum noch beschieden sein, wie ich das Temperament meines „Kung-Fu Rumpelstilzchens auf Speed“ einschätzte.
Mit auf der untersten Treppenstufe schraddernden Knien, bestimmt hochrotem Kopf und ganz sicher einer verdächtig nach alten Pink Floyd und Hawkwind (und sogar „Mexican Gras War“) riechenden, endlosen Weite im Kopf, hauchte (würgte) ich den Namen: „Marshall“ über den Gehsteig.
Etwelche Passanten mögen wohl in anbetracht der Situation den gleichen Gedanken gehabt haben und sich nach einem schlichtenden Polizisten umgeschaut haben. Nicht so mein „Schmuddelpank“. Dieser hielt verdutzt (noch) einen Moment lang inne (in dem er mich noch etwas baumeln ließ) dann zog er mich zufrieden lächelnd zurück in seinen Laden („Gitarrentotal“.. eigentlich ein ganz hübscher Name)
Er (irgendwie der Zeit voraus: damals schon so bleich wie Michael Jackson heute, resp. gestern) schloss zufrieden die Tür und erklärte mir in verschwörerisch, feierlichem Ton, dass ich (erstens) eine sehr gute Wahl getroffen und (zweitens) unglaubliches Glück hätte, denn er hätte genau das was ich suchte. Aber nicht irgend einen Marshall, sondern der absolut weltbeste Marshallamp den (sogar) er selber je gesehenen resp. gehört habe. (Ja ich weiß, das könnte schließlich jeder sagen. Dachte ich ja auch).
Mein schwarz gekleideter „Freund“ schwang sich behände über ein paar aufgetürmte.. Türme. Dann zog und zerrte er aus einer (der hinteren) Ecke etwas graues hervor. (Was jetzt, ich dachte (wusste) Marshall = schwarz ?!) „Spiderman“ verschwand kurz im Nebenraum (Walhalla), kam mit einer (mir) „nichtssagenden-irgendendetwas-vonirgendwem“ zurück (sorry, (Kacke..) ich gestand ja bereits dass ich von Gitarren damals keine Ahnung hatte).
Dann stöpselte er ein Kabel ein und fragte noch: „willst du.. ? Ach was, ich zeigs dir einfach!“
Er drehte die Lautstärke auf elf und..
(Reffrain..)
Gottverrrdammmteeescheeeeiiiiiii.. („Chwääääng“ und „Chwaaaaaang“)
..der Typ ging ab wie..? ein..? eine..? Keine Ahnung wie. Er stand einfach nur da, wippte etwas mit den Hüften und donnerte ein Riff nach dem andern heraus. Er zockte Blues, funkte und rockte wie ein Irrer* und das ganze in einer Lautstärke das die Eingangstüre rhythmisch auf und zu schlug und die Scheiben seines Ladens dermaßen gefährlich vibrierten, dass ich mir sofort meine eigene Theorie über die „wahren“ Beweggründe der vermeintlichen Standortsveränderung seines Geschäfts zusammen schusterte.
* siehste: ich hatte also doch recht!
Mir klingelten die Ohren, die Haare standen mir zu berge und geschielt habe ich bestimmt auch schon. Die kurze Machtdemonstration dauerte wohl kaum eine Minute, auch wenn für mich die Zeit dabei stehen blieb.
Als er (mit mir) fertig war, fragte er trocken, als ob nichts geschehen wäre: „Und“ was sagst du?
(ich:) „..gaargelllkarrrk..“
(Er:) „Willst du ihn, Ja oder nein?!“
(Ich schielte bestimmt immer noch)
Er nannte mir einen Preis (keine Ahnung mehr wie viel), aber ich muss wohl irgendwie genickt und somit den „Packt“ besiegelt haben. (keine Ahnung mehr, ob ich dann noch mit Blut unterzeichnet habe)
Ich war mir danach auf jeden Fall Todsicher, dass ich da ein super „Schnäppchen“ gemacht hatte. Ja vielleicht das beste überhaupt, ich meine so richtig.. Weltweit.
Epilog:
Irgendwann gegen Ende der 90’er (ich hatte all die Jahre keinen anderen Verstärker auch nur angesehen) wurde ich mit meinem weltbesten Schnäppchen zusehends unzufrieden. Ich liebte ihn und hatte mir längst schon ein "allessagendes", leich herablassendes Lächeln angewöhnt, wenn in eingefleischten Kreisen von Gitarristen über Amps gesprochen wurde. Ich hatte mich „Total“ an seinen Sound gewöhnt und glaubte nun aber mit der Zeit entweder meinen Ohren nicht mehr zu trauen, oder dass da irgendwie die „Zauberkraft“ meines mittlerweile unverzichtbar gewordenen Schätzchens, etwas nachgelassen habe. Ich glaubte plötzlich sicher zu sein, die Röhren seinen langsam durchgespielt, die „Cellestion-Speaker“ hätten an Brillanz verloren und überhaupt sei mittlerweile definitiv eine Revision unausweichlich geworden.
All diese Erkenntnisse schienen "mir" bewundernswerter Weise aufgefallen zu sein. Und das will bei mir schon etwas heißen, da mich technisches knowhow in all den Jahren kaum weiter interessiert hatte. Weder wie meine „Babys“ von innen aussahen, noch wie der Ton von den Saiten durch das lange, dünne Kabel in den Amp und von da bis an meine Ohren kommt. Wozu auch? Es funktioniert und ich hatte ja mit meinem „25/50W - 50’zig Jahre Marshall, limited Edition“ Silbersahnehäubchen, mein Schäfchen auf ewig am trockenen.
Ich bin lieber „Jäger“ geworden/geblieben. Meine Gitarrensammlung stagnierte (Gott sei Dank) bei ca. 15 Instrumenten. Ich sammelte meine geliebten, bemerkenswert auffälligen, aber z.B. zu kopflastigen, und somit eher unbrauchbaren, oder bemerkenswert unauffälligen und tauglichen Gitarren und Bässe (ja, auch blinde Hühner..))*. Sammeln klingt jetzt recht kenner- und könnerisch, ehrlich gesagt, konnte ich einfach oft nicht widerstehen, wenn ich mich wieder in eine verguckt habe, Mehr oder weniger egal was sie taugte.
*..aber - keine einzige Strat. Die mag ich auch heute noch nicht.
Ich hatte (unter anderem auch im „Gitarrentotal“) viel Geld für Klampfenrevisionen, Umbauten (relevante und unrelevantere) und Accessoire ausgegeben. Um andere Verstärker hatte ich mir aber über all die Jahre nie einen Kopf gemacht. Ich habe den weltbesten Amp. Der „schwarze Mann“ vom Gitarrentotal (der Laden hat mittlerweile nicht nur bei mir Kultstatus erreicht) hat mir das schließlich versichert.
Als ich also nach all den Jahren wiedermal zum Gitarrentotal zurück kam, diesmal aber mit meinem "Herzstück" (ja Mama, ich weiss..), stockte mir der Atem. Den Typen kenn ich doch. Ich war ihm nie mehr begegnet und insgeheim natürlich sehr froh darüber. Deshalb war ich im ersten Moment „total“ geschockt. Dann redete ich mir ein, dass dieser „Mensch“ (ev. personifizierte Gott oder Teufel) unmöglich so ein elefantöses Erinnerungsvermögen besitzen kann, dass er sich an mich, der ich mich in den letzten Jahren äußerlich um einiges (zum Positiven?!) verändert habe, erinnern könnte. Ich stellte mich also so lässig und unauffällig wie irgend möglich an den Tresen und schilderte ihm mein Problem.
Er schien tatsächlich kein Dejavue zu haben und lauschte aufmerksam meinen Ausführungen (Uff..). Aber als „Mann der Tat“ bestand er darauf, sich mein „Sorgenkind“ sofort anzusehen und besorgte sich währenddessen irgend eine „weissimmernochnicht-wasfüreine“ von der Wand, während ich unter wachsender Nervosität, mit ersten kalten Schweißperlen auf der Stirn, Die Hülle von meiner „Musikerseele“ entfernte und zitternd unter Strom setzte.
Chuck-van-Berryhalen drehte sich um und.. mir gefror das Blut in den Adern, als ich sah wie sich seine Augen weiteten. Schande, ich bin erkannt. Er aber schluckte (nur) und ging, ohne mich überhaupt noch irgendwie wahrzunehmen, fast andächtig mit feierlich gemessenen Schritten auf „seinen“ Marshall zu. Wie ein Ministrant bei der Messe kniete er sich nieder und fuhr mit einer zärtlichen Bewegung und halb geschlossenen Augen, über die verchromte Blende des Gehäuses.
Offensichtlich bewegte es ihn so sehr, seinen „weltbesten“ Marshallamp wieder zu sehen dass er diesmal alles andere zu vergessen schien. Mir schwante bereits herrliches. Ich spürte Freude und Furcht zugleich, wie Indiana Jones beim Anblick trockener Stiefel. Mein Mund wurde trocken bei dem Gedanken an das, was jetzt unweigerlich folgen musste.
Nach all den Jahren war ich schon oft daran, an meiner Erinnerung zu zweifeln. Hat sich das Marshall-Kauferlebnis damals wirklich sooo speziell und abgefahren schräg zugetragen? Und vor allem, ob dieser Typ mich wirklich so beeindruckt hat, dass ich heute noch schlecht einschlafe wenn ich daran denke?
Mit den Jahren verändert sich ja bekanntermaßen die Perspektive auf bestimmte Erlebnisse. (Das zeigt ja genau diese Geschichte sehr schön.) Die Psychologie nennt dies „Verarbeiten“. Das heißt: man „schreibt“ gewisse Erinnerungen solange um, bis sie sich nicht mehr störend oder beängstigend auf die Psyche auswirken und ins aktuelle Selbstbild aufgenommen werden kann.
Meine Spannung stieg, etwa vergleichbar mit dem Inhalt einer gut geschüttelten Colaflasche die, morgens um 07.15 Uhr, nach einem Fall aus dem 3. Kasernenstock, ca. 50 cm hinter dem Oberleutnant, aber vor dem versammelten Battalion, noch etwa 5cm über dem Boden zum HV-Platz unterwegs ist.
Er stöpselte ein und drehte an den Knöpfen..
(Reffrain:)
Yeeeeeeeeeeeeeeeeeeeehaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa…
..und er ließ es (wieder) krachen! (Und schon wieder war ich, resp. mein Ego „total“ hinüber. )
Liebe Freunde der Stromgitarre, ich kann euch sagen.. Es war einfach (wieder) unglaublich! Der Typ flitzte dermaßen über die Saiten und bringt es innerhalb Sekunden fertig sämtliche Ober-, unter-, hinter- und Töne dies kaum gibt, durch zu „schraddern“, dass man per sofort versucht ist, seine eigene musikalische Vergangenheit abzustreiten und zu behaupten (und auch zu glauben), man sei zum Beispiel von der Telefon-Gesellschaft und rein dienstlich hier.
In diesem Moment hätte es einfach niemand durch die nach innen zu öffnende Ladentüre geschafft. Der Tresen schwoll an und verbog sich. All die zig, zum Teil unbezahlbaren, sechsseitigen Meisterwerke, die an den unzähligen Haken an den Wänden hingen, begannen, wie die Fensterscheiben auch, gefährlich in Bewegung zu geraten.
Mir war als wölbe sich das gesamte Mauerwerk des Gebäudes, nein- was sage ich.. das gesamte Universum dehne sich nach innen und außen gleichzeitig. Ein Gefühl so als säße man in einer Seifenblasse, in der gerade einer dieser Wahnsinnigen mit einem Motorrad seine Loopings dreht.
Die gesamte Situation hatte gleichermaßen etwas faszinierendes, wie auch beklemmendes und rührendes. Irgendwie so als beobachtete man jemanden in der Kirche, der gerade (tatsächlich) ein Zwiegespräch mit Gott resp. Elvis hält.
Alles in allem dauerte dieser „Bigbang“ zwar etwas länger als damals Schliesslich galt es die Röhren auf Verschleiß, die Speaker auf Brillianz und die Dringlichkeit einer kostspieligen Gesamtrevision zu prüfen. Aber dennoch wieder viel zu kurz. Wobei ich es paradoxerweise kaum länger ertragen hätte. Während ich mir Ohren (und Augen) rieb, atmete Herr Hendrix einige male tief ein und aus, öffnete dann seine Augen und fixierte er mich argwöhnisch:
„Und was genau soll mit diesem Amp nicht in Ordnung sein?!“
„..gaargelllkarrrk..“
Outro
Ps: Hiermit schwöre ich feierlich, dass dies eine wahre Geschichte ist. (glaube ich)
Übrigens: den „Gitarrentotal“ möchte ich (ganz ehrlich) allen Saitenakrobaten wärmstens weiter empfehlen. Die verstehen ihr Handwerk in allen Saitenlagen. Und schliesslich können einem "gewisse" Erfahrungen auch "reifer" machen. Viel Spass.. www.gitarrentotal.ch